Zentral in der selbstorganisierten Bearbeitung sind zwei Dinge: Ein guter, achtsamer Umgang mit mir selbst und ein unterstützendes Umfeld.
Meine Grenzen achten
Es hat sich z.B. bewährt, sich nicht 24 Stunden am Tag mit dem Thema zu beschäftigen, sondern sich dafür feste, klar umrissene Zeiten zu nehmen, z.B. immer Mittwoch nachmittags von 16:00 bis 18:00 Uhr. Außerhalb dieser Zeiten trage ich z.B. alles, was mir einfällt, in ein Heft ein, aber bemühe mich nicht weiter darüber nachzudenken. An meinem festen Termin arbeite ich dann das Heft durch und mache mir weitergehende Gedanken.
Individuell angepasst
Eine selbstorganisierte Bearbeitung kann nicht nach Schema F erfolgen, ich muss sie individuell anpassen: Wenn ich z.B. jemand bin, der eher verkopft ist und oft in Gedanken um Dinge kreist, ohne voran zu kommen, kann ich überlegen, welche Hilfsmittel und Übungen ich einsetzen kann, um meine Gefühle mehr einzubeziehen. Andersrum kann ich mir, wenn ich schnell in alte Gefühle abkippe und dann dort hängen bleibe, Techniken aneignen, wie ich den Kontakt zum Heute behalte und mich besser distanzieren, im Sinne von "in Sicherheit bringen", kann. Unseres Erachtens gilt es bei standardisierten „Eigentherapien", die nicht an die individuelle Situation angepasst werden, vorsichtig zu sein. Hier besteht die Gefahr einer Wiederholung der Entmündigungssituation der sexualisierten Gewalt.
Mit Unterstützung durch das Umfeld
Selbstorganisierte Bearbeitung benötigt ein Unterstützungsnetz: Ich benötige Freund_innen, mit denen ich jeweils andere Dinge machen kann, die alle für mich wichtig sind: z.B. kann ich mit einigen gut Fußball spielen, das ist wichtig, um mich wohl zu fühlen und mich mal körperlich auszupowern - aber über sexualisierte Gewalt könnte ich mit ihnen kaum reden. Andere sind wichtig für mich, wenn es mir so richtig nach Heulen zu Mute ist. Sie geben mir das Gefühl o.k. zu sein, nicht alleine sondern aufgehoben zu sein – aber intellektuell reflektieren, was bei mir passiert, kann ich mit denen nicht so gut. Und Dritte sind genau für dieses Reflektieren gut. Sie analysieren und bemerken sofort, wenn ich eine falsche Schlussfolgerung ziehe – aber ins Kino gehen und eine Film genießen ist mit diesen Analytiker_innen schwierig. Verschiedene Menschen können verschiedene Funktionen in meinem Unterstützungsnetz übernehmen.
Gleichzeitig ist klar, wenn ich so mit mir selber umgehen könnte und solch ein Umfeld hätte, dann hätte ich höchstwahrscheinlich die sexualisierte Gewalt schon überwunden. In der Realität bleibt oft nichts als der Versuch möglichst viel davon hinzubekommen und nicht aufzugeben. Selbstorganisierte Bearbeitung ist deshalb oft ein sehr schwieriger Weg. Aber es gibt oft genug Situationen, wo es gar keine andere Möglichkeit gibt, weil es keine Angebote für betroffene Männer in meiner Region gibt oder.
Hilfe durch Beratungsstelle
Gerade, wenn ihr aus der Notlage heraus, dass es keine andere Möglichkeit gibt, überlegt eine selbstorganisierte Bearbeitung zu machen, solltet ihr telefonisch oder per Mail mit einer Beratungsstelle Kontakt aufnehmen, um mit deren Unterstützung zu überlegen, wie ihr vorgehen könnt. Adressen finden sich hier und ihr könnt natürlich auch bei uns nachfragen.